Serbien nach der Wahl: Tadic muss handeln










Serbien nach der Wahl: Tadic muss handeln


4. Februar 2008

Von Dragoslav Dedovic und Marieluise Beck



Nach den ersten Hochrechnungen haben etwa 2 300 000 wahlberechtigte Bürgerinnen und Bürger Boris Tadic gewählt. Die Differenz zu dem nationalistischen Kontrahenten Tomislav Nikolic betrug etwa 100 000 Stimmen.

Das knappe Wahlergebnis wird Tadic zum Nacharbeiten zwingen. Immerhin verweigerte ihm  sein Koalitionspartner Kostunica die Unterstützung in der Stichwahl. Für Kostunica war das Kosovo wichtiger als die europäische Zukunft Serbiens: Er forderte von Tadic, das paraphierte Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen (SAA) zu suspendieren, falls die EU ohne Zustimmung des UN-Sicherheitsrates eine Mission ins Kosovo entsendet. Tadic lehnte diese Erpressung ab und gewann an pro-europäischem Profil. Das mag ihm den Sieg über Nikolic gerettet haben.

Wahlergebnis offenbart gesellschaftliche Spaltung
Die knappe Differenz der Stimmen, die beide Kandidaten auf sich vereinen konnten, legt das Dilemma Serbiens offen: Die Gesellschaft ist tief gespalten. Auf den ersten Blick haben die Bürgerinnen und Bürger zwischen Nationalismus und Europa gewählt. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich aber: Im achten Jahr nach Milosevics Sturz grassiert die Korruption, die Arbeitslosigkeit ist hoch, das Gesundheitswesen marode – der soziale Abstieg weiter Teile der Bevölkerung ist gravierend. Ähnlich wie in anderen Transformationsländern haben sich die Oligarchen in Serbien eine absolute Wirtschaftsmacht gesichert –  das demokratische Serbien unterscheidet sich in diesem Punkt kaum vom Milosevic-Regime.

Nikolic erzielt Traumergebnis von 48 Prozent
Neben dem Festhalten am Kosovo instrumentalisierte Tomislav Nikolic insbesondere die wirtschaftlichen Probleme für seinen Wahlkampf. So erzielte er sein „Traumergebnis“ von 48 Prozent. Das Kosovo war offensichtlich nicht nur ein nationalistisches Ein-Punkt-Programm – Nikolic vertraute auf eine national-soziale Agenda. Dies muss dem Sieger Tadic und seiner Demokratischen Partei (DS) eine Warnung sein.

Kostunicas Liebäugeln mit Radikalen nicht mehr tragbar
Es ist unumgänglich, dass Tadic seinen ambivalenten Koalitionspartner Kostunica zur Klarheit zwingt –  das Liebäugeln des national-konservativen Ministerpräsidenten mit der Serbischen Radikalen Partei (SRS) ist nicht mehr tragbar. Das Land hat dringenden Reformbedarf, eine wackelige Regierung wird nicht in der Lage sein, die anstehenden Aufgaben anzupacken. So ist es skandalös, dass binnen weniger Wochen fast geräuschlos die gesamte serbische Ölwirtschaft an Gasprom verkauft wurde. Es sei dahingestellt, ob Belgrad mit diesem Deal die russische Blockade der westlichen Kosovo-Politik bezahlt hat. Jedoch steht zu vermuten, dass Tadic diesen Ausverkauf serbischen Volksvermögens mit trug, um Kostunicas Unterstützung im Wahlkampf zu erkaufen.

Vorgezogene Parlamentswahlen möglich
Das Präsidentenamt in Serbien ist in seiner Macht begrenzt – das Sagen hat die Exekutive.  So bleibt die Frage, ob eine Koalition Tadic-Kostunica die angekündigte Unabhängigkeit des Kosovo überleben wird. Vorgezogene Parlamentswahlen sind nicht auszuschließen. Spätestens dann wird sich zeigen, ob Kostunica mit seiner Demokratischen Partei Serbiens (DSS) wirklich zum „Demokratischen Block“ gehört, oder – wie seine Kritiker behaupten – ein Krypto-Radikaler ist. Eines ist klar: das Kosovo kann nicht ewig Wahlkampfthema Nummer eins bleiben.

EU sollte Türen für Serbien offen halten
Boris Tadic gibt sich als Europäer. Aber Europa ist mehr als Reisefreiheit und wirtschaftliche Hilfe. Die Auslieferung des Hauptverantwortlichen für die „Operation Srebrenica“, General Mladic, bleibt unverzichtbar. Eine Regierung, die Serbien in die EU führen will, darf die historische Verantwortung des Landes beim gewalttätigen Zerfall Jugoslawiens nicht ausblenden. 

Die EU ist gut beraten, dem schwierigen Partner Serbien mit Geduld und Bestimmtheit gegenüber zu treten. Putins „gelenkte Demokratie“ wäre für das serbische Volk eine bittere Perspektive. Deshalb gilt es, die Türen zur EU für Serbien offen zu halten.